Yiddishkayt - LIMMUDIM

Schon vor meiner Schwerbehinderung war ich in der Aufklärung über jüdische Lebenswelten, jüdische Kultur, Tradition und Religion tätig: einerseits als Sängerin und Moderatorin des Klezmer-Ensembles Scholem Alejchem, wo ich durch Musik und jiddische bzw. hebräische Lieder jüdische Feste und Feiertage, ihre Symbole und Riten vorstellte, andererseits als Ethnomusikologin mit Feldforschungsprojekten und Lehre an der Universität Wien sowie durch Vorträge und Workshops in der Erwachsenenbildung. Nachzulesen hier in meinen biographischen Notizen Leben vor der Schwerbehinderung.

Mein "neues" Leben mit Schwerbehinderung zog mich zunächst in ganz andere Gefilde: Als ich - baruch ha-Shem! - nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen war, sondern langsam wieder gehen lernte, übte ich das Gehen bei immer ausgedehnteren Spaziergängen mit den Hunden durch die Wälder und kam so zum Moormonitoring, Wolfsmonitoring und zur Aufkärung über Wölfe und Herdenschutz sowie zur Forschung über Kolkraben.

In Eberswalde entdeckte ich dann nicht nur die Notwendigkeit von Allyship gegen Rassismus (weshalb ich mich u.v.a.m. beim Afrikanischen Kulturverein Palanca e.V. engagierte), sondern auch das reichhaltige jüdische Erbe dieser Stadt. Die (ehemaligen) jüdischen Orte stellte ich gesammelt, auf einen Blick einsehbar und mit Infos versehen in der von mir gestalteten Website Jewish Eberswalde zusammen und machte viele Führungen durch das jüdische Eberswalde. Zudem hielt ich Limmudim, also Vorträge zum Judentum (vor allem auch zur Vielfalt von jüdischen Lebenswelten) und wurde als Rednerin und jüdische Insiderin bei Gedenkveranstaltungen eingeladen. Mit Elan und Begeisterung habe ich mich ehrenamtlich bei der Initiative "Spuren jüdischen Lebens in Eberswalde" eingesetzt, Führungen zum Synagogendenkmal, zu den Stolpersteinen und den jüdischen Friedhöfen gemacht, sogar die HNEE (Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde) mit ins Boot geholt und auch für Studierende Guided tours zur Jewish heritage in Eberswalde durchgeführt, neue Interessierte gewonnen, also alles sehr erfolgreich ... bis die Mitglieder dieser Gedenkinitiative hinter meinem Rücken beschlossen, die einzige Jüdin rauszuschmeißen - ein typischer Fall von Antisemitismus in der deutschen Erinnerungskultur, wo die Gojim lieber unter sich bleiben. Gedenken an tote (ermordete) Jüdinnen und Juden ja, jedoch ein Miteinander auf Augenhöhe mit heute lebenden Jüdinnen und Juden nein. Traurig, aber wahr und nachzulesen hier.

Ganz anders die Mentalität im Förderverein Finower Wasserturm und sein Umfeld e.V., der auch das Messingwerk, welches sich lange und florierend im Besitz der jüdischen Familie Hirsch befand, betreut. Die Vorstandsmitglieder freuen sich, eine jüdische Insiderin mit dabei zu haben, noch dazu eine, die gerne, bereitwillig und mit großem Wissen über jüdische Themen Auskunft erteilt. Immerhin spielte gerade in der Messingwerkgeschichte während der Dynastie Hirsch die jüdische Religion eine große Rolle (Gemilut chassadim, d.h. aus sozialen, ideellen Gründen etwas für andere tun als wesentlicher Teil der jüdischen Identität). Hier gab es auch eine Hachscharastätte (wahrscheinlich sogar die erste in Brandenburg), von der Messingwerksiedlung erhalten geblieben sind neben Häusern auch noch einige architektonische Besonderheiten (z.B. Fresken, Mosaike) und berühmt sind außerdem die noch bestehenden Kupferhäuser.  Auch eine bei späteren Bauarbeiten entdeckte Sukkah wurde restauriert und bildet nunmehr neben ebenfalls gefundenen Torahrollenfragmenten eine wichtige Station bei den Führungen. Mehr dazu siehe auf meiner Website Jewish Eberswalde.

Im Gegensatz zum Förderverein Finower Wasserturm und sein Umfeld e.V. ist die Stadt Eberswalde an Zusammenarbeit mit jüdischen Insider:innen nicht interessiert. Das erlebte ich immer wieder in Form von Ignoranz meinen Ideen (und auch meiner Website Jewish Eberswalde) gegenüber. In aller Deutlichkeit bekam ich es nach dem 7. Oktober 2023 zu spüren, als seitens des Bürgermeisters trotz meiner Bitte um ein Zeichen der Solidarität mit Jüdinnen und Juden keine Positionierung der Stadt Eberswalde erfolgte und meine Vorschläge für interkulturelle, solidarische Veranstaltungen (u.a. "Weihnukkka" feiern mit Chanukkia am Eberswalder Weihnachtsmarkt) schlichtweg abgelehnt wurden. Auch die HNEE (Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde) war trotz meines Ersuchens nicht bereit, sich mit Jüdinnen und Juden solidarisch zu erklären und sich für deren Schutz einzusetzen. Unfassbar und bestürzend, aber leider kein Einzelfall.

Während auf den sog. "Montags-Demos" am Eberswalder Marktplatz - unter Polizeiaufsicht! - Hetze gegen jüdische Menschen und Israeldämonisierung stattfindet, lehnt sich der Eberswalder Bürgermeister in seinen "judenfreien" Büroräumlichkeiten des Rathauses zurück und fühlt sich nicht zuständig für den steigenden Antisemitismus in seiner Stadt. [By the way: Auch ein jüdisch-israelischer Integrationsbeauftragter der Stadt Eberswalde hat nach nur wenigen Wochen frustriert über die engstirnige, kurzsichtige und unbewegliche Rathausmentalität das Handtuch geworfen]. Ebenso sind aus dem Landkreis Barnim keine klaren Statements gegen Antisemitismus zu vernehmen. Im Vergleich zu den (berechtigten) Solidaritätsaktionen mit der Ukraine erfahren wir Jüdinnen und Juden in erster Linie Schweigen. Dass es nachgerade in Deutschland so weit kommen kann, dass wir unsere Identität verstecken müssen, um nicht attackiert zu werden, ist ungeheuerlich! Und die moralpolitischen Aussagen einiger weniger Politiker:innen pro Israel und pro Schutz jüdischen Lebens nutzen herzlich wenig, solange sie nicht in der Realpolitik angewendet werden. In Eberswalde ist jedenfalls nichts davon angekommen (siehe auch meine Zweifel an Plurikulturalität).

Nicht einmal der "Freundeskreis Israel in Eberswalde e.V." fühlte sich nach dem "Schwarzen Schabbat" vom 7. Oktober bemüßigt, öffentlich Solidarität mit Israel zu bekunden. Dabei hatte ich schon länger davor angeboten, ehrenamtlich und unentgeltlich eine Website für den Verein zu erstellen und diese auch zu betreuen; nach dem 7. Oktober legte ich dem Vorstand schließlich nahe, wie wichtig ein solches Solidaritätsbekenntnis gerade jetzt für Israel und für uns Jüdinnen und Juden in Deutschland sei. Doch mein Angebot wurde ignoriert, genauso wie meine Bitte um solidarische Positionierung. Aus dem Verein bin ich ebenfalls ausgetreten.

All diese vielen frustrierenden und auch schmerzlichen Erfahrungen mit Ignoranz, Ablehnung und Antisemitismus in Eberswalde haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass ich in Eberswalde nicht zuhause sein kann und vor allem nicht zuhause sein will. Ich gehe weg aus Eberswalde, entweder gleich nach Israel oder - was wohl etwas weniger mühsam ist mit Hund' & Katz' - nach Berlin, dort bin ich wenigstens in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin aufgehoben und nicht wie bisher allein. Deshalb mache ich keine Veranstaltungen mehr in Eberswalde.

VERGANGENE VERANSTALTUNGEN (Auswahl)

Gedenken in Bernau anlässlich des Novemberpogroms 1938

Zum Novemberpogromgedenken in Bernau wurde ich vom Netzwerk für Weltoffenheit eingeladen, um als Jüdin die Schlussworte bei den Stolpersteinen und auch Kaddisch zu sprechen. Die Gedenkveranstaltung war sehr bewegend.

Ich finde es richtig und wichtig, beim Shoah-Gedenken die jüdische Insiderpersepektive einzubeziehen (meine noch Heimatstadt Eberswalde kann sich ein Beispiel daran nehmen, denn hier bleibt die Erinnerungskultur ganz, ganz fest in gojischer, also nichtjüdischer Hand).


Benefizkonzert in der Friedenskirche Charlottenburg am 02.11.2023

Sigmount Königsberg, der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, hatte mich zum Benefizkonzert zur Wiedererrichtung der BücherboXX am Gleis 17 eingeladen, damit ich die Aktiven von JEHI 'OR kennenlerne und auch ein wenig mithelfe. Nicht nur war dank Sigi das Networking erfolgreich, sondern ich durfte einen Abend mit schönen Stimmen und wundervoller Musik erleben: Klassische Synagogalgesänge, Jazziges, Roma-Klänge und ausdrucksstarke Lyrikvertonungen!

Zuerst gab es einleitende Begrüßungsworte von Sigmount Königsberg und Konrad Kutt, dem BücherboXX-"Vater", dann führte Irene Aselmeier durch einen Abend mit herrlichen musikalischen Darbietungen von Isidoro Abramowicz, Esther Hirsch, Tal Koch, Raphael Isaac Landzbaum, Dotschy Reinhardt u.a., am Schluss sangen wir alle gemeinsam "Mi ha-Ish" - sehr bewegend!

Zwischendurch habe ich bei PR für SOLIDARISCH GEGEN HASS von JEHI 'OR mitgeholfen und gute Gespräche geführt. Ein berührender, inspirierender und beglückender musikalischer Abend!


Jüdische Lebenswelten im heutigen Deutschland

Vortrag in der Stadtbibliothek Eberswalde

Im Rahmen der Interkulturellen Wochen hielt ich am 12. September 2023 wiederum einen Vortrag in der gemütlichen und gut besuchten Stadtbibliothek Eberswalde. Thema war diesmal die Aufklärung über "Jüdische Lebenswelten im heutigen Deutschland". Ich stellte die Vielfalt jüdischen Lebens dar und veranschaulichte Riten und Symbolik der Feiertage durch Fotos, Videos und Musikbeispiele. Am Schluss sangen wir gemeinsam "Schalom chaverim", wo alle mit viel Freude zeigen konnten, dass sie auch ein paar Worte Hebräisch gelernt hatten.


Jüdischer Salon Brandenburg: Judentum auf dem Lande

fab - Fachstelle Antisemitismus Brandenburg

Podiumsdiskussion zum Thema "Wie finde ich mein Judentum auf dem Lande?" als Auftaktveranstaltung zum neuen fab-Format Jüdischer Salon Brandenburg am 10.08.2023 um 18 Uhr in der Uckermark.

Es diskutierten:

  • Nick Hörmann, Potsdam
  • Katrin Ikhilman, Leipzig
  • Mirjam Silber, M.A., Eberswalde

Moderation: Emanuel Neumann



Führung durch die Messingwerksiedlung in Eberswalde

BTU - Brandenburgische Technische Universität Cottbus

Studierende der BTU wurden am 11.05.2023 in zwei Gruppen von Dr. Ulrich Röthke und Mirjam Silber, M.A. durch die Messingwerksiedlung und die Ausstellung im Wasserturm geführt.


Führung durch die Messingwerksiedlung in Eberswalde

BHT - Berliner Hochschule für Technik

Studierende der Berliner Hochschule für Technik wurden am 20.05.2023 von Dr. Ulrich Röthke und Mirjam Silber, M.A. durch die Messingwerksiedlung und die Ausstellung im Wasserturm geführt.


Israeltag Berlin - DIG Berlin & Brandenburg

Am 28. April 2023 fand anlässlich des 75. Jahrestages der Staatsgründung Israels am Wittenbergplatz in Berlin ein von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. organisierter Israeltag statt. Die Veranstaltung war gut besucht und fand großes Publikumsinteresse.


Jüdisches Kaleidoskop Brandenburg

Vom 7. bis zum 13. November 2022 veranstaltet die Fachstelle für Antisemitismus Brandenburg die Aktionswoche "Jüdisches Kaleidoskop" rund um jüdisches Leben in Brandenburg. Mirjam Silber von Palanca e.V. hat bei der Organisation mitgearbeitet und so wurden für Eberswalde immerhin vier Veranstaltungen ins Programm aufgenommen:


Schabbat: Bedeutung des wöchentlichen Ruhetages im jüdischen Leben - Vortrag am 10.11.2022 in der Stadtbibliothek Eberswalde

Im Rahmen der Reihe Jüdisches Kaleidoskop Brandenburg (Fachstelle für Antisemitismus) und der interkulturellen Initiative Plurilog der Kulturen und Religionen (Palanca e.V.) veranstaltet die Stadtbibliothek Eberswalde am 10.11.2022 einen Vortragsabend zum Thema Schabbat.

Entstehungsgeschichte, Sinn und Bedeutung von Schabbat werden in einem multimedialen Vortrag erläutert und die traditionellen Rituale anhand von Videos, Fotos, Geschichten und Musik veranschaulicht.

Referentin: Mirjam Silber

Zeit: Donnerstag, 10.11.2022, 18.30

Ort: Stadtbibliothek Eberswalde im Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio

Eintritt frei